Ein Gastbeitrag von Kim Robin Stoller in der neuen Publikation “Antisemitismus bei BDS” des Bundesverband RIAS e.V.
In Deutschland lassen sich seit Anfang der 2010er Jahre verstärkt Boykottaufrufe gegen Israel und (jüdische) Israelis unter dem Kampagnenlabel BDS nachweisen.1 Antisemitische Boykottaufrufe gab es allerdings auch unabhängig von der BDS-Kampagne – sowohl vor diesem Zeitpunkt als auch seitdem. Das Internationale Institut für Bildungs-, Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA) hat relevante BDS-Aktivitäten in Deutschland (etwa Demonstrationen, Konferenzen, Infostände, Störaktionen oder Kampagnen) sowie die daran beteiligten Akteur_innen analysiert. Dieses Kapitel präsentiert eine quantitative Analyse von BDS-Aktivitäten und Aktionsformen dieser Akteur_innen in Deutschland seit 2011. In diesem Zusammenhang geht das Kapitel schlaglichtartig auch auf thematische Schwerpunkte und politische Strategien der Akteur_innen ein sowie darauf, wie diese
sich seit dem Bundestagsbeschluss gegen die BDS-Kampagne 2019 verändert haben.
Die Auswertung zeigt, dass man in Deutschland verschiedene Bezugnahmen auf BDS voneinander unterscheiden sollte. Vor allem ist BDS als Label für Aktivitäten oder Kampagnen zu unterscheiden von BDS als einer Organisationsstruktur. Einige Akteur_innen verwenden bei ihren Aktivitäten das Label BDS oder unterzeichnen den BDS-Aufruf, während andere Gruppen das Akronym BDS in ihrem Namen tragen oder die BDS-Kampagne selbst zum Hauptziel ihrer Aktivitäten machen. Auffällig ist, dass teilweise dieselben Personen bei Aktivitäten unterschiedlicher Gruppen oder Kampagnen unter verschiedenen Namen auftreten. Es gibt auch Organisationen, die auf lokaler oder internationaler Ebene Aktivitäten mit BDS-Bezug organisieren, ohne dass sich diese Organisationen ihrem Namen nach als Teil des BDS-Netzwerk zu erkennen geben.
Eine Website in Deutschland wirbt bundesweit für BDS-Aktivitäten und übt eine Art Klammerfunktion für diese Aktivitäten aus. Presserechtlich verantwortlich für diese Website ist die Sprecherin der Gruppe „BDS Berlin“. Die Website listet auch einige Organisationen in Deutschland auf, die BDS-Aufrufe unterstützen. 2
Methodisches Vorgehen
Für die vorliegende Analyse untersuchte das Forschungsinstitut IIBSA öffentlich bekannt gewordene BDS-Aktivitäten in Deutschland in den Jahren 2011 bis 2019. Die folgende Darstellung unterscheidet dabei idealtypisch verschiedene Bezugsrahmen zur BDS-Kampagne. Ausgewertet wurden öffentlich zugängliche Zeitungsartikel sowie Beiträge in sozialen Medien und auf Websites, vor allem von BDS- Gruppen. Berücksichtigt wurden für die quantitative Auswertung:
- Aktivitäten von Akteur_innen, die das Akronym BDS in ihrem Namen tragen,
- Veranstaltungen, die zu Boykott, Investitionsabzug oder Sanktionen (BDS) aufrufen oder Aktivitäten zu anderen Themen, die genutzt werden, um zu BDS aufzurufen,
- Bündnisaktivitäten unter Beteiligung von Gruppen, die das Kürzel BDS in ihrem Namen tragen und dadurch in der Außenwirkung den BDS-Aufruf unterstützen,
- BDS-Aufrufe, die verschiedene Gruppen oder Einzelpersonen unterzeichnen sowie
- die Koordination von BDS-Aktivitäten.
Jede beobachtete Aktivität wurde dabei jeweils nur einmal gezählt, auch wenn
sie mehreren der genannten Kategorien zugeordnet werden konnte. Dabei gelten folgende Einschränkungen:
- Aktivitäten zentraler BDS-Aktivist_innen wurden nur dann gezählt, wenn sie einen unmittelbaren BDS-Bezug aufwiesen – es sei denn, die beteiligten Akteur_innen tragen das Akronym BDS in ihrem Namen.
- Aktivitäten von Akteur_innen, die den internationalen BDS-Aufruf unterstützt haben oder die zu BDS aufrufen, wurden nur im Kontext von Aktivitäten mit BDS-Bezug aufgenommen.
Aufgrund der hier angewandten Methodik und Datenerhebung ist von einer unbekannten Dunkelziffer auszugehen. Zudem wurde sogenannter „silent boycott“, bei dem eine bewusste oder unbewusste Boykotthandlung gar nicht erst öffentlich oder nicht-öffentlich kommuniziert wird, nicht berücksichtigt.
Auch Aussagen über die jeweilige Wirkung von Aktivitäten und Akteur_innen trifft dieser Text nicht.3
- Die BDS-Kampagne fordert den Boykott ausnahmslos aller israelischen Unternehmen, Produkte sowie kultureller und wissenschaftlicher Kooperationen. Einziges Kriterium für den Boykott ist die Verbindung zum jüdischen Staat. Damit richtet sich BDS gegen alle Israelis. Mit dem Boykott israelischer Waren wird insbesondere zum Boykott jüdischer Israelis aufgerufen (siehe IIBSA 2020). ↩︎
- Siehe die Website der BDS-Kampagne unter http://bds-kampagne.de. ↩︎
- Eine zukünftige Publikation des Forschungsinstituts IIBSA wird eine Datenzusammenführung mit Informationen zu Wirkungseffekten enthalten. ↩︎
Download der RIAS-Broschüre:
https://report-antisemitism.de/documents/2024-03-14_Antisemitismus-bei-BDS.pdf